Unterstinkenbrunn ist ein Dorf im oberen Weinviertel, unweit von Laa an der
Thaya, unweit der tschechischen Grenze. War die wirtschaftliche Basis der
UnterstinkenbrunnerInnen über lange Zeit der Wein,
sein Anbau, die
Verarbeitung, Lagerung und Vermarktung wird heute wie überall
ausgependelt, in unterschiedlichen Branchen dazuverdient und statt der
arbeitsintensiven Kultivierung von Wein die Zwiebel
angebaut.Die Zwiebel
kann maschinell gepflanzt, geerntet und verarbeitet
werden, und braucht in
Unterstinkenbrunn keine Lager.
Aus der Hochblüte des Weinanbaus in der Region, noc
h vor der Reblausplage
am Beginn des 20. Jahrhunderts stammt das Kellerdorf, ein paar Steinwürfe
vom eigentlichen Dorf entfernt, das in seiner Art einzigartig ist. Keine
Kellergasse, langgezogen, an einem Weg oder einer Straße gelegen sondern
rund um einen zentralen Platz angelegt, verfügt es
über eigene Gassen,
Hohlwege eine Vielzahl von kleinen Häusern, die eben wie ein archetypisches
Dorf (wie Frau/Mann es sich vorstellt und erträumt)
angeordnet sind. Es hat
einen eigens ernannten Bürgermeister und ist charakterisiert durch das
Fehlen von Verblechung und Schornsteinen an den Häu
schen. Das Fehlen der
Schornsteine ist mittlerweile "fake", gibt es doch
fast in allen Kellervorräumen
einen Ofen, weil Partys, Geburtstagsfeiern, geselliges Zusammensitzen neben
der zum historischen Schaustück verwandelten Weinpr
esse auch in den kalten
Monaten sein soll, und nicht mehr die körperliche A
nstrengung der Arbeit
genug Wärme erzeugt.
Der Name "Loamgrui" bezeichnet den Ort, das Materia
l, in das die Keller
gebaut, die Hohlwege gegraben sind und das Material
, mit dem die Keller
gebaut sind; die Ziegel.
Das Interessante an der Unterstinkenbrunner Situation ist nun, dass jedes
Unterstinkenbrunner Haus über ein Miniatur-Pendant
verfügt, dh. gibt es im
eigentlichen Dorf ein großes Haus, gibt es dazu im
Kellerdorf ein kleines.
Vielleicht begegneten uns die UnterstinkenbrunnerIn
nen so freundlich, weil
sie zusätzlich zu ihrem eigentlichen Leben über ein
miniaturisiertes
Paralleluniversum plus angefügter Unterwelt verfügen?
Ist das Dorf Unterstinkenbrunn von Frauen, Männern
und Kindern bewohnt,
gehören die Keller den Männern. Am Abend, am Wochen
ende manchmal
sogar in der Mittagspause tauchen sie im Kellerdorf
auf und verwalten ihren
"selbstbestimmten" Platz. Frauen und Kinder sind ma
nchmal zu Gast. Eine
Frau erzählte uns, dass es ihrem Mann zu Hause nie
einfallen würde einen
Besen zur Hand zu nehmen oder im Haushalt mitzuhelf
en oder aufzuräumen;
in seinem "Keller" tut er es die ganze Zeit.
Die Keller dienten im Kellerhaus der Produktion (in
vielen steht noch die
Weinpresse) und im handgegrabenen angefügten Keller
der Lagerung von
Wein; Dazwischen gib es archaische, enge, in den Le
hm gegrabene, mit
schrägen gehauenen Treppen versehene Abgänge. Die V
orfahren der
heutigen UnterstinkenbrunnerInnen hatten sich mit e
inem Gerüst und mit der
Methode des gelegten Ziegel - Tonnengewölbes kleine
, von der menschlichen
Proportion bestimmte Gänge durch den Lehmboden gegr
aben, manchmal ein
bisschen kleiner, manchmal ein bisschen größer, Man
chmal kürzer manchmal
länger. Durch die Größe der Keller könnte Frau/Mann
die Größe, Kraft und
Ausdauer der Vorfahren bestimmen. In manchen Keller
n ist das Ende
definiert, dh, abgemauert, in manchen Kellern gibt
es ein offenes Ende, wie in
einem angefangenen Tunnelbau. Der Keller wartet auf
Fortsetzung und
Weiterbau.
Durch den Wandel der Verhältnisse stehen heute viel
e dieser wunderschönen
Keller leer. Reste von früherer Nutzung sind noch da; schimmelüberzogene
Gegenstände und Flaschen, alte Fässer. In manchen w
ird noch Wein als
"Hobby" produziert und gelagert, in vielen liegen einfach gekaufte,
geschenkte Flaschen aus aller Welt.
Bei der Suche nach Kellern für die Installationen fügte es sich wunderbar,
dass jeder Keller einen völlig eigenen Charakter hatte. So konnte auch jeder
Künstler oder jede Künstlergruppe einen sehr indivi
duellen Ort finden.
Hubert Lobnig 2008
Kuratiert und organisiert von HUBERT LOBNIG
Das Kunstprojekt erfolgt in Zusammenarbeit mit Kuns
t im Öffentlichen Raum
Niederösterreich.